Was bedeudet sprechen?

Ich finde es äußerst schwierig, dem, was ich fühle, eine Form zu geben. Aber noch schwieriger ist es, die Scham und die Verlegenheit zu überwinden, um dies zu kommunizieren. Oft bin ich nicht wirklich motiviert, mich zu öffnen. Ich denke, dass der andere keine Interesse hat, mir zuzuhören oder dass er die geballte emotive Ladung nicht fassen kann, die dahinter steckt, und dass er sich nur an der Kodifizierung der Worte festhält. Oft liegt in dem Wunsch, die eigenen Gefühle zu schützen auch eine Art Eifersucht oder Widerspenstigkeit.

Aber wenn ich tiefer in mich hineinhöre, fühle ich auch eine Verlegenheit, mit einem anderen diese Vertraulichkeit zu teilen, indem ich ihm eine Tür zu meiner Welt öffne. Angst, Verlegenheit, der Wunsch, sich zu schützen, aber auch ein gesunder Wunsch, sich und den anderen zu respektieren, indem ich mich und ihn zu keiner plötzlichen Öffnung zwinge und lieber Stück für Stück gehe.

Zwischen mir und dem Wunsch, zu sprechen gibt es also eine lange Reihe von Hindernisse, die sich mir in den Weg stellen. Aufgrund dessen ist für mich der Wunsch, zu sprechen überhaupt nicht selbstverständlich oder natürlich. Dagegen ist das Schweigen, das Bewahren – mit bestimmten Ausnahmen – eine Dimension, in der ich mich viel wohler fühle. Also was bedeutet es für mich, zu sprechen?

Ich merke, dass in mir der Wunsch, zu sprechen entsteht, wenn ich eine authentische Bereitschaft zum Zuhören wahrnehme. Die Bereitschaft zum Zuhören kann nicht vorgetäuscht werden. Die geistige Verfügbarkeit der Person, die sich ehrlich in die Haltung des Zuhörens begibt, wird oft als ein Durchgang, als ein freier Raum wahrgenommen. Es ist die ehrliche Bereitschaft zum Zuhören, die den Vorhang der Nichtkommunizierbarkeit zerreißt – noch bevor der Wunsch zum Sprechen entsteht. Die Bereitschaft zum Zuhören entwaffnet unseren Schutz.

Also sprechen bedeutet für mich vor allem die Möglichkeit, gehört zu werden. Denn nur in dem Moment, in dem ich mich angehört fühle, fühle ich mich auch berücksichtigt. Dieser Akt von Aufmerksamkeit stellt mich in Beziehung und in tiefe Verbindung mit dem anderen. Sprechen bedeutet für mich das Kennenlernen und die Annäherung. Wenn die Entfernungen kleiner werden, zieht sich auch die Begrenzungslinie unseres Schutzwalls zurück. Es ist aber die Bereitschaft zum Zuhören die die notwendigen Voraussetzungen schafft, um diesen schwebenden Raum zwischen mir und dem anderen zu schaffen. Ein Raum, den wir zusammen mit einer gesunden und wahren Beziehung anzufüllen beginnen können. Nur in einer solchen Beziehung fühle ich mich echt verwirklicht.