Der Unterschied zwischen sein und zählen

Es kann vorkommen, dass man ein Projekt scheitern sieht,
es kann vorkommen, dass unsere Arbeit kritisiert wird. Es kann vorkommen,
dass jemand unsere Fähigkeiten in Zweifel zieht. Es kann vorkommen, dass
wir Fehler begehen, an unsere Grenzen kommen und uns vergleichen mit denen,
die besser sind als wir, vielleicht genau in etwas, was uns besonders wichtig ist.
Wir fühlen uns unfähig, wir haben das Gefühl, „weniger Wert zu sein“. In diesen
Situationen überkommt uns dann eine unglaubliche Wut, zusammen mit diesem
schlechten Gefühl, sich nicht angemessen zu fühlen. Warum passiert das?
Weil wir unseren Wert über das Bild des Erfolges definieren, basierend auf Können,
auf dem, was wir wissen, auf den Resultaten, die wir erzielen. Wenn dieses Bild in
Zweifel gezogen wird, brechen alle unsere Sicherheiten in sich zusammen und wir
fühlen uns verloren und im schlimmsten Fall verliert unser ganzes Leben seinen Sinn.
Aber die Vorstellung über unseren Wert, unsere Würde und die Bedeutung unseres Lebens
sollte nicht an das Bild des Erfolgs geknüpft sein. Wir SIND (nicht zählen) viel mehr als das,
was wir wissen und NICHT wissen.


Zu denken, uns unseren Wert auf der Basis äußerer Erfolge zuzuschreiben, verbirgt in Wirklichkeit eine immense Fragilität. Es bedeutet zu glauben, dass ohne diese Erfolge unsere Person nicht wert ist, zu existieren, dass sie nichts zählt.
Und somit schwanken wir also zwischen dem Hochhalten unseres Bildes und der Depression, sobald dieses in Zweifel gezogen wird. Wir schwanken zwischen dem Uns-zu-viel-Wert-beimessen und dem Ihn-uns-gar-nicht-beimessen. Doch in beiden Fällen sind wir Sklaven von bestimmten Vorstellungen und Urteilen über uns selbst. Der Mensch, der sich seines eigenen Wertes sicher ist, fühlt sich nicht herabgesetzt weder durch eigene Fehler oder Grenzen noch durch den Wert der anderen. Vielmehr wird er nicht aufhören, den Wunsch zu nähren, diese zu entdecken und weiter zu lernen. Er wird nicht aufhören, den anderen das von sich zu geben, was er geben kann, ohne sich zu fragen, ob es denn viel oder wenig sei. Alles, was er hat, wird er zur Verfügung stellen mit wahrer Demut. Falsche Demut hingegen, die die uns sagen lässt „ich genüge nicht“ oder „ich bin unfähig“, will uns daran hindern, uns einzubringen, vielleicht weil es gerade die Angst vor dem Versagen ist, die uns terrorisiert. Doch das einzig wirkliche Scheitern ist jenes, es nie probiert zu haben und somit die Ausdehnung des Lebens zu blockieren, welches in uns ist und raus will und uns mit einer viel größeren Intensität leben lassen will, indem wir uns geben und indem wir etwas kreieren. Ganz ohne Angst. Im Grunde halte ich das für die Fähigkeit, zu lieben. Das Leben zu lieben. Das eigene und das der anderen.

Maila