Flüssige Gesellschaft

Wie viel Schmerz verursacht es, in der Unbestimmtheit zu leben?
Der berühmte Soziologe Zygmunt Bauman hat mit Erfolg den Begriff der „flüssigen Gesellschaft“ geprägt, laut dem alle traditionell identitären Formen ihre Solidität verlieren.
Und auch wenn einerseits diese identitären Formen weniger streng werden – was sicherlich ein Vorteil ist –
so stellt diese Auflösung – wenn sie bis zum Extrem getrieben wird – andererseits einige kritische Punkte dar.

Sich in keinerlei Form wieder zu erkennen – sei es zum Beispiel in kulturellem, religiösen oder sexuellem Sinne – gibt uns die Freiheit der Suche; doch diese Suche sollte auf jeden Fall ernsthaft geführt werden. Über eine extreme Freiheit zu verfügen ohne dennoch eine Spur zu haben, der man folgen kann – mit der Möglichkeit, sie auch verlassen zu können – kann im Gegenteil vielmehr zu einer unglaublichen Existenzangst führen.

In bestimmten, schwierigen Phasen des Lebens kann dieses Sich-in-Nichts-erkennen mit einem Sprung ins Leere verglichen werden. Das menschliche Wesen ist ein sehr kompliziertes Wesen und sein Inneres ist ein unglaublich tiefer Abgrund, der sehr vorsichtig ergründet werden muss. Wenn jede identitäre Form zerbröckelt, und man sich vor diesem Abgrund ohne jegliche Bezugspunkte wiederfindet, in einem Chaos, wo alles möglich ist und wo eine Erfahrung wie die andere ist, ohne Kritikfähigkeit, ohne die Fähigkeit, zu reflektieren und zu vertiefen, dann kann all das die Tür zu einer sehr tiefen Angst aufreißen.

Wir beobachten heute immer deutlicher einen totalen Zerfall jeglicher Art von Struktur, Form und Werten, aber wir haben keine ausreichenden Mittel, um zu verstehen, was wir loslassen können und was wir dagegen bewahren sollten, wenn auch vielleicht mit einer Überarbeitung. Und wir müssen wieder den Mut finden, uns erneut existenzielle Fragen zu stellen, ohne Angst, verurteilt zu werden. Was bedeutet es zum Beispiel, heutzutage Europäer zu sein, was bedeutet es, christlich oder muslimisch oder atheistisch zu sein?

Gibt es ein männlich oder weiblich? Und wenn ja, was sind ihre spezifischen Eigenschaften? Können wir heute Formen, in denen wir uns erkennen, wählen und sie auf offene und beziehungsfähige Weise leben? Und mit den anderen Formen ins Gespräch kommen, ohne uns ihnen entgegenzusetzen? Und vielleicht kann dieses Bewusstsein einer identitären aber beziehungsfähigen Form, im Dialog mit den anderen, eine gute Alternative sowohl zu der Strenge und der Verschlossenheit als auch zu der Unbestimmtheit darstellen.

Maila