Oremus…

Was für schwierige Tage, Brüder,

was für außerordentliche Tage, die wir durchleben müssen.

Es kann sein, dass alles völlig sinnlos ist, wie uns auf jedmögliche Weise von allen, die aus den Lautsprechern dieser Welt sprechen, wiederholt wird.

Es kann sein. Aber vielleicht auch nicht.

Vielleicht hat diese paranormale Situation eine eigene sehr genaue Richtung, eine eigene Bedeutung, die nur sehr wenige zu entschlüsseln versuchen.

Vielmehr schweigen hingegen alle, nur die Wissenschaftler sprechen, und das ist gut, aber nur im Rahmen ihrer Kompetenzen. Der Sinn der Dinge, ihre Entschlüsselung gehört nicht zu den Aufgaben der Wissenschaft.

Man bräuchte die Philosophen, aber sie haben seit langer Zeit den Glauben an die Wissenschaft, die sie zu lieben sagen, verloren; man bräuchte die Dichter, aber es scheint, als würden sie wie betäubt in die Leere ihrer ausgetrockneten Seele starren; man bräuchte die Geistlichen, aber selbst sie machen nichts anderes, als banale Empfehlungen zu wiederholen, während in jeder Kirche alles schweigt und es am Wort des Propheten mangelt, wie das kristallklare Wasser in der Wüste Negev.

Trotzdem fühle ich, dass dies eine wertvolle, wunderschöne und günstige Zeit ist.

Ich sage das im Grunde seit Jahren: Das ist wirklich eine günstige Zeit, aber nur, um neu anzufangen und wir können nur aus einer bestimmten Entleerung ernsthaft neu beginnen, besser noch aus der Leere.

Und wenn die Botschaft in der Flaschenpost dieser Pandemie in erster Linie diese wäre:

Ihr müsst neu anfangen, ihr könnt diese tiefe Wunde, die euch terrorisiert, neu anvisieren, und euch vertrauensvoll dieser Leere – die in euch wohnt – hingeben. Ihr werdet einen neuen Anfang erleben können.

Wenn das die Botschaft in der Flasche wäre, wer wird sie lesen? Wer wird diese verlorene Flasche zwischen den Algen der vielen verdüsterten Seelen aufsammeln?

Vielleicht wollte man uns anhalten.

Wir wussten und wir wissen alle, dass wir gerade dabei sind, geradewegs gegen eine Mauer zu rasen. Die hellsten Köpfe wiederholen es seit langem und wir selbst wiederholen es jeden Tag, seit Jahrzehnten; aber trotzdem machten wir weiter, trotz allem, immer weiter, zunehmend erschöpfter und verzweifelter. Wir machten weiter damit, die Erde zu vernichten, die kindlichen Seelen zu vergewaltigen, den akustischen Raum mit leeren Wörter zu füllen, mit Geschwätz, Flüchen und mit Werbung.

Und wenn man gewollt hat, uns zu unserem Besten anzuhalten?

Vor 25 Jahren habe ich eine lange Phase der körperlichen aber auch inneren Probe durchgemacht.

Ich schrieb damals „Schmerzhaftes Mysterium“:

„Du hast mich angehalten, weil du der Weg bist.

Meine Krankheit ist ein absichtliches Ereignis, dein Projekt.

Ich nehme es an. Schenk‘ mir die Freude, deinen Atem in mir zu spüren.“

Und diese andere Stimme bestätigte mir, sie empfahl mir, nicht zu widerstehen, mich meiner Angst hinzugeben, um zu entdecken, dass das gefürchtete Nichts kein Ort der Vernichtung, sondern ein Ort der Begegnung ist. Die Stimme sagte zu mir:

„Neige deinen Kopf für eine Stunde, oder auch länger

bis dein Nichts aus deiner Angst herausgleitet

wie ein Schiff, das ablegt. Es ist in diesem Abschied,

dass ich dir entgegenkomme

mit der Wurfschaufel, um meine Tenne zu reinigen.“

Und wenn dieses Blockade eine unumgängliche Reinigung zum Ziel hätte?

Und wenn all dieser Schmerz eine wirklich große Bedeutung hätte, ein unerhörtes Versprechen von Erlösung und Rettung mit sich bringen würde? Einen sanfter Aufruf zur Freude?

Oremus

Marco Guzzi