Identifikation als Erfahrung von Intersein

„Wie gehen wir mit den Menschen um, die unser leben teilen? Wie mit denen, die unseren Weg für einen Moment kreuzen, um dann in andere Richtungen weiterzugehen? halten wir zu große Distanz, oder schaffen wir zu große Nähe?[…] Was bedeuet Achsamkeit auf den anderen, wer immer er oder sie auch sei? […] Der Zisterziensermönch Thomas Merton schreibt über das Leben der Wüstenväter: »Liebe bedeudet hier eine innere und spirituelle Identifikation mit dem Bruder, so dass er nicht mehr als >Objekt< verstanden wird, für >das< man etwas >Gutes tut<.«

Der Begriff Identifikation ist in der westlichen Psychologie eher negativ besetzt; jemand, der sich mit etwas oder einem identifziert, wird verdächtigt, sich im anderen zu verlieren. Auf der spirituellen Ebene aber bedeudet Identifikation das Erkennen, dass der andere un ich in einem tiefen Sinn eins sind; diese Art Identifikation ist eine Erfahrung von Intersein. Und so kann Thomas Merton sagen: »Liebe, bedeudet, in seinem nächsten sein anderes Selbst zu sehen und ihn mit der gewaltigen DIemut, Besonnenheit, Zurückhaltung und Ehrfurcht zu lieben, ohne die es niemand wagen kann, das Heiligtum der Subjektivität eines anderen zu betreten.«

 

Margrit Irgang (Geh, wo kein Pfad ist und hinterlasse eine Spur)